Arbeitslosigkeit – künftig ein Dauerbrenner? 

Referat, gehalten am 3./4. Februar 1992 in Zürich im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Wandel oder Revolution unserer Wirtschaft?» der Interessengemeinschaft «Forum für die Frau», unter dem Patronat des Schweizerischen Bankvereins. 

«Arbeit – Brot» – «Arbeit – Brot», mit diesem Slogan, meine sehr verehrten Damen und Herren, 1958 auf die Bretter der Basler Mustermesse geknallt, rhythmisch und eindringlich, wurde ich über ein Theaterstück in eine Thematik eingeführt, die uns alle in unseren persönlichen und gesellschaftlichen Belangen direkt betrifft. 

Es ist nicht des Zynikers Privileg, sondern auch dasjenige des Analytikers, zu verspüren, dass mit dem Ausspruch «Arbeit – Brot» eigentlich nur Brot gefordert wird. Die Arbeit ist lediglich ein möglichst gering zu haltendes Zugeständnis, das zu erfüllen man behauptet bereit zu sein, um Brot zu erhalten.

Was wird gefordert? Arbeit? Brot? Beides? Nur Brot oder nur Arbeit? Ist die Verbindung «Arbeit – Brot» zwingend? Welchen Stellenwert hat die Arbeit in unserer Gesellschaft? Ist Arbeit überhaupt salonfähig?

Ich bin mir bewusst, dass meine Ausführungen – wie schon oft – befremden werden. Sie haben heute zwar volle Aktualität, aber sie werden wohl erst in einigen Jahren Akzeptanz finden.

Die Vorbereitung dieser Ausführungen, gegliedert in 13 Thesen, habe ich nicht als Arbeit empfunden, denn Arbeit ist – wie noch näher zu erläutern sein wird – kein Vergnügen!

Gründe für die Arbeit können sein: 

  • Stillung der Grundbedürfnisse: 
  • Essen, wohnen und sich kleiden; 
  • Sicherheit, Reservebildung; 
  • Ehre, Schutz und Macht; 
  • Flucht, Angst vor der Leere, dem Nichtstun, der familiären und gesellschaftlichen Ächtung.

Die Überschüsse aus dem Erlös der Arbeit können für die Familie, die Eigentumsbildung, die Gesellschaft, die Wohltätigkeit, aber auch für Machterhalt und Unterdrückung eingesetzt werden. Jede Arbeit hat somit ihren Zweck, woraus ich die erste These ableite: 

 

These 1: 

Arbeit an sich ist kein Bedürfnis.

Das Wort «Arbeit» stammt aus dem mit telhochdeutschen «Arebeit» und heisst «Mühsal, Not» und versteht sich im allgemeinen Sinn als eine «Kraftbetätigung zur Überwindung eines Hindernisses bei der Verfolgung eines Zweckes».

Diese Interpretation wird erhärtet durch die französische Sprache. «Travail» stammt vom lateinischen Wort «trepalium» und bedeutet «instrument de torture», also Folterinstrument. Arbeit bedeu tet also: Mühsal, Not und Folter.

Während Jahrtausenden lehnten es die Völker ab – zumindest diejenigen, die es sich leisten konnten – zu arbeiten. Zur Arbeit wurde man gezwungen. Sklaverei bedeutet «Zwang zur Arbeit». Die Menschheit unterteilte sich in solche, die gesellschaftsfähig waren und dominierten, und in solche, die zur Arbeit gezwungen und geächtet wurden. Weder Griechen noch Römer, die etwas auf sich hielten, arbeiteten. 

Erst im frühen Mittelalter, mit dem Entstehen der Klöster, änderte sich die Einstellung zur Arbeit. Über Gebet und Arbeit wurden Stärke und Macht geschaffen. 

Durch das Vorleben gesellschaftlich anerkannter Patrizier, zuerst in den Klöstern, wurde die Arbeit allmählich salonfähig.

Die Arbeit als Produktionsfaktor und die sie begleitende Ethik haben den westlichen Ländern zum Kapital und damit zur Macht und Dominanz auf dieser Welt verholfen.

In der Anerkennung der Arbeit als gesellschaftliche Selbstverständlichkeit liegt die Stärke des Westens begründet. Die damit verbundene Mühsal – eben Arbeit – sowie die damit zusammenhängenden Verteilungskämpfe haben eine Entwicklung gefördert, ja geradezu galoppieren lassen, die ich in der zweiten These zusammenfasse. 

 

These 2:

Die Flucht aus der Arbeit – ohne Verzichtbereitschaft auf Güter und Wohlstand – hat die Technologie gefördert und die Produktion gesteigert.

Diese Erkenntnis führt zur dritten These: 

 

These 3: 

Technologie und Produktion sind grundsätzlich für alle absehbaren Zeiten in der Lage, alle Grundbedürfnisse aller Menschen voll zu befriedigen.

Das Problem ist nicht die produzierbare Menge oder die Verschwendungsbereitschaft der Natur, sondern allein der Mensch, seine Machtgier und Angst und die damit gehemmte Verteilung. 

Die Eigendynamik der industriellen Kräfte wie auch insbesondere der Kampf um die Verteilung der Güter haben die Technik, die Arbeitsteilung, die Automatisierung und die Spezialisierung gefördert. Dieser Druck wirkt sich auf die Arbeitsmärkte aus. Die Gewerkschaften haben früh den Begriff «Arbeitsleid» geprägt und benutzen ihn stets bei Vollbeschäftigung zwecks besserer Entschädigung und Verkürzung der Arbeitszeit, während sie bei Arbeitslosigkeit «Recht auf Arbeit» fordern. «Recht auf Arbeit» ignoriert die technischen Möglichkeiten und die in der vierten These formulierte Grundbedingung für eine erfolgreiche Beschäftigung.

 

These 4: 

Dauerhaft erfolgreich kann eine Beschäftigung nur sein, wenn sie aus Freude an der Beschäftigung an sich geleistet wird.

Die Wahrung wirtschaftlicher Erfolgschancen setzt die Anwendung moderner Arbeitsmethoden und Technologien voraus. Arbeit muss als Vergnügen, ja als Hobby empfunden werden. Der Begriff «Arbeit» im ursprünglichen Sinn hat immer mehr ausgedient. 

Ob Verkäufer von Chemieprodukten, Sanitärinstallateur, Pfarrer in der Kirche, Montageschlosser oder Berufsfussballer: Grundlage ist die Freude an der Tätigkeit, die man ausübt.

Somit: Erfolgreicher Berufsfussballer wird man nicht, weil dieser Beruf zurzeit gut bezahlt ist, sondern weil man leidenschaftlich gern Fussball spielt. Erfolgreiche Devisenhändlerin wird man nicht, weil diese Beschäftigung gut bezahlt ist und mittelständisches Ansehen geniesst, sondern weil eine entsprechend positive Einstellung und Neigung zur Tätigkeit besteht. Erfolgreicher Spinnereimaschinenbediener ist man nicht, weil Erfolg besser entlöhnt wird, sondern weil man Freude hat, innerhalb eines Teams Verantwortung über hochinvestive und komplexe Maschinen zu übernehmen, Rhythmus und Zusammenarbeit mit anderen schätzt und trotzdem einen abgrenzbaren, das Individuum respektierenden Bereich zu betreuen hat.

Alle haben eines gemeinsam: Die Beschäftigung wird von der Nachfrage nach der erzeugten Leistung bestimmt; die Bezahlung von Angebot und Nachfrage auf dem Personalmarkt. 

Anwälte zum Beispiel – und dies erscheint mir richtig – könnten bald weniger gut bezahlt sein, als beispielsweise nicht besonders geschulte Maschinenputzer, die mit Systematik, Gründlich keit und Interesse – alles setzt Freude voraus – dafür mitsorgen, dass konkurrenzfähige Produkte hergestellt werden können.

Zusammengefasst heisst dies für den zukünftig Beschäftigten etwas überspitzt: Nur wer das, was er tut, grundsätzlich auch ohne Bezahlung – aus Freude und Neigung heraus – tun würde, kann Erfolg haben und hat Chancen, im Konkurrenzkampf zu bestehen.

Die Entwicklung hat einen derartigen Wandel bewirkt, dass die Frage nicht ist, ob es genügend Arbeit gibt, sondern ob wir genügend Menschen haben, welche die anstehenden Aufgaben mit Freude bewältigen. Nur wer Freude an seiner Beschäftigung hat, leistet heute gute, oder anders ausgedrückt, konkurrenzfähige Arbeit. Die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt in seinem Gebiet entscheidet über die Höhe seines Gehaltes bzw. über seinen Anteil an dem von ihm geschaffenen Produkt.

 

These 5: 

Wir müssen den Begriff «Arbeit» entschärfen. Arbeit zu haben, wirtschaftlich beschäftigt zu sein, darf nicht Bedingung für gesellschaftliche Akzeptanz bleiben. Es kann volkswirtschaftlichen Erfolg bedeuten, möglichst viele Arbeitslose zu haben.

Wenn es gelingt, dank Technologie und Freude an der Tätigkeit, mit zehn Prozent der Bevölkerung alle Bedürfnisse zu stillen, bedeutet dies Erfolg.

Viele Menschen werden künftig arbeitslos sein bzw. viel Freizeit haben. Auch ihnen müssen Zielsetzung, Harmonie und Zufriedenheit ermöglicht werden. Diesem Erfordernis steht heute unsere schlechte Eigentumsstreuung beim Grund und Boden wie auch zum Beispiel die Tendenz zur Konzentration landwirtschaftlicher Betriebe diametral gegenüber.

Mittels Beschäftigung auf noch so kleinem Grundbesitz lässt sich nicht nur sinnvoller Umweltschutz realisieren, auch Slumbildungen und extreme Herdenbewegungen können vermieden werden. Auch bilden die rural Beschäftigten – geschichtlich nachweisbar – das beste Potential für einen Wiederaufbau durch spätere Generationen einer möglicherweise in den nächsten Jahren stark schrumpfenden Wirtschaft.

Die Alternative zum Eigentum für mehr oder weniger alle sind 

  • entweder Brot und Spiele, verabreicht durch den Staat, verbunden mit einem unvorstellbaren Energie und Naturverzehr 
  • oder die Knechtung des Menschen wie in George Orwells Buch «1984».

 Ich wage deshalb die sechste These: 

 

These 6: 

Brot ohne Arbeit ist möglich, ja erstrebenswert. Paradiesische Verhältnisse auf dieser Welt sind möglich. Die Kernfrage bleibt die Verteilung. Parallel dazu stellt sich die Frage des Lebensinhaltes des Arbeitslosen und dessen Würde.

Wir werden mit der Arbeitslosigkeit leben dürfen oder müssen ohne entscheidende Wohlstandseinbusse, sofern Markt und Verteilung stimmen und die Märkte nicht ständig durch Eingriffe des Staates verfälscht werden. Kernproblem wird sein, einer immer grösser werdenden Masse von Menschen individuellen Sinn und Zweck zum positiven Leben zu vermitteln, ohne dabei die Ressourcen, die letztendlich alle aus der Natur stammen, für immer zu konsumieren.

Um das Problem des Wohlstandes bei Arbeitslosigkeit zu bewältigen, ist eine Renaissance der Erkenntnis von Grundwerten gefordert. Die Eigendestruktionsfähigkeit eines jeden Menschen könnte allerdings den Pessimisten mit ihren Erfahrungen recht geben, die behaupten, die Besinnung auf Ethik, Moral und Religion sei nur über Hunger und Not möglich.

Statt die Lösung der Probleme in Richtung sinnvoller Beschäftigung des Individuums – verbunden mit Eigentum und persönlicher Freiheit – zu suchen, zwingt der Staat den Menschen mit immer mehr Vorschriften, Reglementierungen, Wirtschaftsförderungen und Staatsaufträgen einen ungeheuren Verwaltungsapparat auf.

Der Staat und sein Mensch stellen sich über die Natur und tun so, als liessen sich natürliches Geschehen, Freuden und Leiden, karge und fette Jahre in seine Machtstrukturen einbinden. Der Staat fördert den Eindruck, alles liesse sich regeln und ordnen. Er erstickt jede Risikobereitschaft und Innovationsfreudigkeit. Er reisst die Macht an sich und gibt sich unfehlbar.

Wenn dann die Quellen versiegen, alles zu erodieren beginnt und einbricht, dann hat das Volk eben die Politiker und die Regierung gehabt, die es verdient. Wer diesen Staat stärkt, schadet der Heimat!

 

These 7: 

Nur die Marktwirtschaft kann die Probleme lösen. Nur die Marktwirtschaft ermöglicht die Herstellung der Güter, die benötigt werden, und hat den Drang und die Möglichkeit, die Märkte der armen und unterentwickelten Gebiete zu erschliessen. Marktwirtschaft ist Abbild der Natur. Zurück zur Natur heisst «Marktwirtschaft».

Die Intelligenz des Menschen, eben auch ein Naturereignis, neigt dazu, die eigene Macht, erzwungen über den Weg der Marktwirtschaft, abzusichern. Damit wird der Mensch zum Gegner der Marktwirtschaft. Er wirft Steine in den Brunnen, aus dem er getrunken hat.

Hier ist Ethik gefordert – und Staat und Justiz –, um die Spielregeln des Zusammenlebens durchzusetzen. In Anbetracht des bei uns herrschenden Verfilzungsgrades und der Interessenkollisionen bräuchten wir dazu längst fremde Richter im eigenen Land – entgegen den Forderungen von 1291, festgehalten im Bundesbrief.

Von der Marktwirtschaft Widerstand gegen Missbräuche staatlicher Agitation und fragwürdiger Justiz zu verlangen ist verfehlt.

 

These 8: 

Marktwirtschaft verhält sich wie das Wasser. Sie fliesst dorthin, wo der Widerstand am geringsten ist. Marktwirtschaft verteidigt sich nicht. Sie politisiert nicht. Wird sie gestaut, so bewirkt sie jedoch früher oder später Dammbrüche und Verwüstungen.

Entwässerte – entmarktete – Gebiete hinterlassen verödete Böden; Pseudomärkte entstehen, und «Unkraut» bewirbt sich um die letzten Staatsaufträge. Dieses «Unkraut» wehrt sich auch gegen Öffnung, gegen Zugluft, gegen Frische und neues Leben. Es propagiert undifferenziert Stube, Heim, Geborgen heit und verteidigt in Wirklichkeit den muffigen Stall im eigenen Interesse.

Die Vergangenheit hat es zur Genüge gezeigt. Die unfreien Länder haben immer grosse, lärmige Patrioten – und die meisten Fahnen. Es scheint, der Osten sei der Schweiz Pate gestanden – mit dem einzigen Unterschied, dass unsere Kühlschränke noch gefüllt sind, jene im Osten dagegen leer.

Welches Bewusstsein müssen wir erneuern, und was ist zu unternehmen? 

 

These 9: 

Es gibt keine Marktwirtschaft ohne Personalmarkt. Weltweit konsolidiert gibt es nur Personalkosten und somit auch nur Personalfragen und -probleme. Die Grundstoffe liefert uns die Natur, ohne uns diese in Rechnung zu stellen, Personalmarkt setzt – so brutal dies auch tönen mag – Arbeitslosigkeit voraus.

Mit der Arbeit wird ein Zweck angestrebt. Wird dieser Zweck durch minimalere Mittel erreicht, dann entsteht Arbeitslosigkeit, wenn die zu produzierenden Mengen oder Neuheiten nicht wachsen. Heute ist man in der an sich glücklichen Lage, nicht nur das Bestehende mit minimaleren Mitteln zu erreichen, sondern auch ein allfälliges Wachstum durchwegs ohne Zuwachs der Beschäftigung – ja sogar mit zunehmender Arbeitslosigkeit – zu erlangen. 

Die heutige Arbeitslosigkeit ist zahlenmässig weit schlimmer als jene der 30er Jahre. Trotzdem geht es heute den Arbeitslosen materiell wesentlich besser als vor 60 Jahren den gut bezahlten Angestellten. Gott sei Dank!

Arbeitslosigkeit – künftig ein Dauerbrenner, eine vorübergehende Erscheinung oder ein ernsthaftes Problem? Die Arbeitslosigkeit wird zum Kernproblem, wenn wir unsere Einstellung dazu nicht grundlegend ändern. Heute schon verbinden Hunderttausende sinnloses Getue – generell als Arbeit bezeichnet – mit unverantwortlichem Substanzverzehr und unerträglicher Naturbeanspruchung. Es liegt noch im Gesellschaftsinteresse und im Interesse des sozialen Friedens, Abertausenden nicht zu sagen, wie zwecklos die ihnen zugeteilte Beschäftigung ist. Nur der Staat hat Interesse an der Arbeit des Volkes ohne Gegenleistung. Die Kontrolle ist einfacher, und nach wirklichen Lösungen gesellschaftlicher Probleme muss auch nicht gesucht werden.

Für die Unternehmung stellt sich die Frage wie folgt: Was kann sie tun für eine sinnvolle, freudvolle Beschäftigung möglichst vieler Menschen, um die Herstellung konkurrenzfähiger Produkte zu gewährleisten? Meine nachfolgenden Thesen setzen ein radikales Umdenken voraus.

 

These 10: 

Hierarchien müssen durch Funktionen ersetzt werden. Es gibt keine hohen und keine tiefen Funktionen. Die Honorierung hat sich ausschliesslich nach Angebot und Nachfrage zu richten.

Titel, Unterschriftsberechtigung usw. sind kein Verdienst, sondern ergeben sich aus der Funktion. Wenn die Prokura ein Verdienst wäre, müssten ab sofort tausende von betrieblich mit allen Arten von Arbeiten Beschäftigten die Prokura erhalten. Aus der Stellung – der Funktion – heute oft der Hierarchie heraus darf keine gesellschaftliche oder private Besserstellung und «Achtung» erfolgen. Ansonst werden Strukturen, die einem stetigen Wandel unterzogen werden müssen, zementiert. Die Flexibilität und die sich wandelnde Einsatzfähigkeit eines Beschäftigen wird behindert bzw. verunmöglicht. Alle Menschen sind recht, nur meistens falsch platziert. Zu viele Männer sitzen in Stellungen fest, denen sie nicht oder nicht mehr gewachsen sind. Die soziale und gesellschaftliche Ehre bewirkt, dass sie sich an die bestehende Ordnung klammern, krank werden, interne Rochaden verbauen oder verzögern und die stetige Erneuerung einer Unternehmung verhindern.

Ein Direktor, der seinen Titel verliert, ist kein Sozialfall. Hierarchien sind Gift in der Unternehmung; sie zementieren die Missstände. Die Doppelbezahlung – einmal über das Gehalt, ein zweites Mal über den gesellschaftlichen Dunkel – muss ausgemerzt werden. Alle Menschen sind gleichwertig.

 

These 11: 

Alle Menschen sind im gegenseitigen Respekt gleich zu behandeln. Jeder Beschäftigte – egal welche Funktion er versieht – muss innerlich spüren, dass er als Person und Persönlichkeit respektiert und anerkannt wird, egal ob er unsere Sprache spricht, weiss oder schwarz ist, langsam oder schnell. Als Mensch muss jeder im Betrieb seine Unantastbarkeit spüren. Respekt bewirkt Freude. Aus Freude entsteht die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung.

Nichts kann den Erfolg einer Unternehmung schneller fördern, als wenn der Wille zur Wahrheit und der Wille zur Gerechtigkeit überzeugend sind und von möglichst vielen gelebt werden. Die Information wird breit und offen, die Fehlermenge wird reduziert, oft recht zeitig erkannt und – was besonders wichtig ist – spürbar verziehen. Der positiv Denkende hat die Gabe zu spüren, ob ein Fehler auf Irrtum beruht – er hilft ihn alsdann zu korrigieren – oder auf persönlichem Interesse. 

Unkomplizierte Information und spontane Berichterstattung über Gesamtes, über Details und Einzelfälle sind in alle Funktionen hineinzutragen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – selbst wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen – verstehen viel mehr, als man gemeinhin annimmt. Auf jeden Fall spüren sie den Geist, den Respekt und das Vertrauen. 

Gegen innen sollte die Information möglichst ohne Papier erfolgen, gegen aussen fast nur auf Papier.

 

These 12: 

Eine Unternehmung erträgt nur eine Zielsetzung. Diese muss Gewinn heissen. Langfristiges Gewinnstreben über die jeweilige beschäftigte Generation hinaus ist mit wirklich sozialem Verhalten deckungsgleich. 

Um Gewinne zu erzielen, braucht es eine Optimierung des Geschehens. Bei innerbetrieblichem Erreichen der gleichen Zielsetzung ist der Widerstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber unverstandenen Massnahmen spontan zu fördern und bis zur vollständigen Einigkeit durchzustreiten. Halt hat man nur, wo man Widerstand hat. 

Die moderne Unternehmung erträgt nur positiv denkende Menschen, die zumindest im Ansatze begeisterungsfähig sind. Von geizigen und freudlosen Menschen – es gibt Gott sei Dank nur relativ wenige davon – muss man sich trennen. Eitle Menschen, oft mit besonderer schulischer Ausbildung, die ihre persönlichen Zielsetzungen auf Kosten der Firma beschleunigen wollen, sind zu erkennen. Ansonsten gleitet die Unternehmung phantasielos mit viel Getue und wenig Effizienz in die im Militär besonders gepflegten Harzburger Führungsmodelle ab.

Für Aufgaben mit besonderer Funktionskonzentration sollten nur Personen eingesetzt werden, die im Leben gelernt haben zu verzichten. Im Verzicht liegt enorme Kraft. Man lernt nur, was man leidet.

Wir müssen die Kündigungsfristen umkehren. Je tiefer das Gehalt, um so länger die Kündigungsfrist und umgekehrt. Nach heutigen Massstäben ergäbe dies für einen Generaldirektor noch eine Viertelstunde! Allerdings erfordert dies, dass allen Menschen immer wieder Chancen eingeräumt werden.

 

These 13: 

Keine Unternehmung darf die Beschäftigten, deren Sorgen und Probleme im einzelnen oder im gesamten, einer externen Organisation – sprich Gewerkschaft – überlassen. 

Externe Verbände sind von der Unternehmung auszuschliessen und zwar so lange, als die Unternehmenszielsetzung nicht hundertprozentig deckungsgleich ist.

Der Erfolg der Unternehmung hängt vom Zusammenwirken, dem Willen zur Wahrheit und Gerechtigkeit ab. Somit unterscheidet sich jede Unternehmung von der Konkurrenz im Endeffekt aus schliesslich durch die erfolgreichere oder eben schlechtere Philosophie. Wer die menschlichen Ressourcen besser nutzt – die Entfaltung eines jeden ermöglicht -, hat die besseren Chancen zu gewinnen.

Es ist deshalb unverantwortlich, das heute langfristig einzig Unternehmerische – nämlich das richtige Zusammenwirken von Menschen, ausgerichtet auf ein Ziel – an Aussenstehende zu vergeben. Bestenfalls können Experten als Berater beigezogen werden – als Vertreter der mit der Unternehmung verbundenen Menschen: nie!

Die Standardisierung der Personalbe lange innerhalb einer Branche heisst, die Möglichkeiten des Bessermachens innerhalb einer Unternehmung als Ganzes nach aussen abzutreten. 

Um nur die krassesten Nachteile einer Gewerkschaft zu eliminieren, müsste sie 

  • pro Branche höchstens einen Betrieb betreuen;
  • sich mit den Unternehmenszielen vollständig identifizieren und sie als oberste Doktrin anerkennen können;
  • das Marketingbild «hier Ausbeuter – dort Ausgebeutete» endlich verlassen;
  • die Unvereinbarkeit genereller gewerkschaftlicher Interessen erkennen. Die Erfüllung zum Beispiel von VPOD-Forderungen ist doch eine blanke Gefährdung der Beschäftigungsinteressen einer sinnvoll und produktiv arbeitenden Privatunter nehmung!

Die Gewerkschaften müssten sterben und wiederauferstehen – aber anders als heute!

Auch in den Gewerkschaften versperren gestiefelte Kater und etablierte Pseudointellektuelle neuen Kräften den Weg. Das Wirtschaftsestablishment in der Schweiz schliesst die Gewerkschaften mit ein und «verdackelt» langsam wie die Generalität Frankreichs nach dem Ersten Weltkrieg. Die Gewerkschaften wurden in unsere Ordnung mit eingeschlossen nach dem arabischen Motto: «Eine Hand, die man nicht abhacken kann, muss man schütteln.» Zusammen degeneriert es sich angenehmer!

Abschliessend halte ich fest, dass die Zahl der unbeschäftigten Menschen stark zunehmen wird. Die Frage ist, ob wir Arbeitslosigkeit mit Armut oder Arbeitslosigkeit mit Wohlstand und einer sinnvoll und mit Freude wirken den Wirtschaftswelt haben.

Ungelöst ist das wachsende Problem der Würde und Wohlstandsbewältigung der Arbeitslosen und deren Akzeptanz in der Gesellschaft. Hier ist Umdenken gefordert. 

Das unternehmerische, gewerkschaftliche, gesellschaftliche und staatliche Umfeld ist nicht geeignet, die anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Trotzdem müssen wir den Mut haben, die Probleme zu lösen. 

Die Desillusionierung ist der erste Schritt zur Besserung. 

 

Februar 1992

Dieser Beitrag stammt aus meinem Büchlein „Klare Meinungen – zu früh ausgesprochen?“, veröffentlicht im Jahr 1999.