Aus Banken Ställe machen? 

Gespräch mit Adrian Gasser, das Armin Menzi im Juni 1987 geführt hat. 

Streitgespräch mit Adrian Gasser über den «Megatrend Eigentum» und die Rolle des Staates 

Laufen wir Gefahr, dass der Staat die Banken und Versicherungen, aber auch die institutionellen Anleger mit Grundeigentum in den Sack steckt? Wo liegen die eigentumspolitischen Kern- und Angelpunkte der Zukunft, wenn unser Land der fortgeschriebenen Pflicht, Eigentum zu streuen, nachkommen will? Adrian Gasser, Unternehmer und Vizepräsident des Thurgauischen Hauseigentümerverbandes, hat in jüngster Zeit den «Megatrend Eigentum» zum Gegenstand grundsätzlicher Betrachtungen gemacht. Armin Menzi hat sich mit ihm unterhalten.

 

Armin Menzi: Adrian Gasser, Sie haben vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt, als Sie in Sirnach eine eigentumspolitische Diskussion mit eidgenössischen Parlamentariern leiteten. Aufsehen darum, weil Sie die Politiker in keiner Weise schonten. Das war keine Diskussion nach «Schema X», das war zuweilen «Provokation pur», da keimten schon mal Aggressionen auf…

Adrian Gasser: …mag sein, dass in bestimmten Phasen dieses Abends etwas markanter zur Sache gegangen wurde. Aber sehen Sie, solche Diskussionen vertragen kein Verweilen an der Oberfläche. Die Frage des Eigentums hat die Geschichte der Menschheit in sozialer, gesellschaftlicher, ökologischer und damit auch in politischer Hinsicht zutiefst geprägt. Ganz abgesehen davon sollte man meiner Ansicht nach einen vollen Saal interessierter Zuhörerinnen und Zuhörer vor dem üblichen «Politiker Palaver» verschonen!

Armin Menzi: Also Aggressionen gegen die Nationalräte Margrith Camenzind, Ernst Mühlemann, Hans Uhlmann oder gegen Kantonsrat Guido Rupper?

Adrian Gasser: Keine Aggressionen. Das, was Sie Aggression nennen, war das Bestreben nach Tiefe, nach Substanz. Und diese Attribute wollte ich in keiner Phase preisgeben. Dies erforderte ein hartnäckiges – und keinesfalls ein aggressives – Insistieren. Wenn Politiker – besonders vor Wahlen – Gefahr laufen, reine Wahlpropaganda zu machen, statt Auskunft zu geben, muss man sie eben auf den Boden der Realität (sprich Diskussion) zurückholen.

Armin Menzi: Hand aufs Herz, Adrian Gasser: Wie stehen eigentlich Sie zum Eigentum? 

Adrian Gasser: Das Recht auf Eigentum ist untrennbar mit dem Begriff Freiheit verbunden. Zumindest offen hat es zu keiner Zeit irgend jemand mit Erfolg gewagt, den Kampf gegen die Freiheit als höchstes Gut unserer Gesellschaft aufzunehmen. Das beinhaltet gleichzeitig, dass jemand zuerst die Freiheit in Frage stellen muss, wenn er sich gegen das Eigentum stellen will. 

Armin Menzi: …ich meine: haben Sie ein gespaltenes Verhältnis zum Eigentum, mehr noch: stellen Sie es nicht in Frage? 

Adrian Gasser: Nein. Aber ich habe ein differenziertes Verhältnis zu anonymem, gewaltigem Vermögen bei juristischen Personen einerseits und jenem einer Privatperson oder einer Familie anderseits. Für mich lautet dabei eine der Kernfragen: Darf das Eigentum wachsen und wachsen wie ein Riesenbaum, um dann irgendwann zugunsten des von Beamten kontrollierten Staates zurück gestutzt zu werden? Immerhin könnte die heutige Konzentration alles, was unter dem Riesenbaum auch noch wächst, ersticken. Im konkreten Fall ist darum zu fragen, ob der Staat das Eigentum fördert, wie dies sein Auftrag ist, oder ob er es bremst, oder aber gar gezielt die Konzentration fördert. Gemäss Bundesverfassung hat der Staat nämlich den Auftrag, besonders das Hauseigentum breit zu streuen. Dass er dies nicht tut, beweisen die Zahlen und bestätigt Ihnen jeder Familienvater.

Armin Menzi: Also glauben Sie, der Staat «verbremst» etwas?

Adrian Gasser: Ja. Er tut dies unbedingt und mit Sicherheit sehr bewusst mittels Grundstückgewinnsteuern, Eigenmietzins, Vermögens- und Erbschaftssteuern sowie auch Liegenschaftensteuern. Diese Bremsmittel bestehen leider schon lange, doch seit kurzem hat der Staat mit Hilfe der bürgerlichen Parteien, der Banken- und Versicherungslobby auch noch den Rückwärtsgang eingelegt. Der gesetzliche Zwang, Gelder fürs BVG und die 3. Säule den Banken, Versicherungen und institutionellen Anlegern zu bringen, damit sie steuerlich abgesetzt werden können – und wiederum in Grund- und Hauseigentum anzulegen – bedeutet einen Fusstritt für jeden, der die Eigentumsstreuung fördern will.

Armin Menzi: Starker «Tobak»! Wie wirkt sich die «Chose» Ihrer Meinung nach aus – und wie empfinden Sie’s?

Adrian Gasser: Ich empfinde diese Dinge als fortschreitende Teilenteignung, die im Endeffekt zu einer durchschlagenden Totalenteignung für jeden Normalsterblichen führen kann. Dies dann, wenn die Erträge ungenügend sind, um die Steuern auf dem Eigentum zu bezahlen. Dies trifft dann besonders stark das Familien- und Hauseigentum, wenn zusätzlich noch Hypothekarzinsen bezahlt werden müssen.

Armin Menzi: Das klingt so verflixt kompliziert… 

Adrian Gasser: …ist es aber nicht. Ein Beispiel: Wenn jemand ein Haus mit Umschwung besitzt und sich eines Tages dafür entscheidet, Selbstversorger zu werden und sich mit selbst angebautem Gemüse zu ernähren, eine Ziege für die Milch zu halten und im Bach ein Wasserrad für den eigenen Strom zu installieren, dann geht das nicht. Der Mann muss nämlich für sein Haus mit Umschwung Steuern bezahlen. Und woher soll er, als richtiger Selbstversorger, das Geld dazu nehmen?

Noch brutaler ist es heute schon für den Rentner, der in seinem eigenen Haus lebt und mit seiner AHV-Rente all die Steuern und insbesondere den Eigenmietzins bezahlen muss. Und es schlichtweg nicht kann …

Armin Menzi: …was nach Ihrem Szenario dazu führt, dass der Mann seine Liegenschaft verkaufen muss, um die Steuern zu bezahlen?

Adrian Gasser: Ja, das meine ich. Wir sollten aber nicht unterschätzen, dass dasselbe natürlich auch auf Frauen und Witwen – mit und ohne Kinder – zutrifft. 

Armin Menzi: Und darum ist Ihr Verhältnis gegenüber dem Staat und gegenüber seinen Repräsentanten gespannt?

Adrian Gasser: Ich habe kein gespanntes Verhältnis zu mir – es handelt sich nämlich auch um meinen Staat, auch ich bin ein Repräsentant dieses Staates. Ein gespanntes Verhältnis – wie Sie das nennen – habe ich allerdings zu jenen, die sich nicht an die Verfassung halten. Darunter befinden sich unzählige Staatsfunktionäre…

Armin Menzi: Nennen Sie Namen!

Adrian Gasser: Bundesrat Stich ist ein Beispiel. Aber sogar sogenannte Bürgerliche missbrauchen das Vertrauen des Volkes, indem sie zwar für die Familie plädieren, in Wirklichkeit jedoch gegen die Familie handeln.

Armin Menzi: Also Allergien gegen diejenigen, die sich nicht an die Verfassung halten. Auch gegenüber Banken, Versicherungen oder die vielzitierten «institutionellen Anleger»? 

Adrian Gasser: Nochmals, ich habe keine Allergien, nur Besorgnis. Ich sehe da einige Probleme und Zielkonflikte, die durch die Konzentration von Eigentum entstehen. Vor allem dann, wenn der Staat vom Bürger verlangt, dass er seine persönliche Vorsorge so betreibt, dass er einen immer grösser werdenden Teil seines Lohnes an eine Versicherung oder eine Bank einzahlt – um ihn dereinst allerdings wieder als Rente zurückzubekommen. Die Banken und Versicherungen legen das Geld in Grund und Boden an. Besser wäre es, wenn der Bürger sein Geld direkt anlegen könnte: wegen der künstlich hochgetriebenen Preise kann er das allerdings nicht mehr. 

Armin Menzi: Banken und institutionelle Anleger nennen ihre Praxis «Inflationsschutz». Und ein solcher liegt doch auch im Interesse der Einzahler und künftigen Rentner

Adrian Gasser: Zu gross werdende Gebilde schreien geradezu nach Verstaatlichung. Dies besonders dann, wenn deren Eigentum noch anonymer ist als das Staatsvermögen. Immerhin laufen diese Anlagepraktiken bei Banken den angeblichen Intentionen des Staates im Hinblick auf eine breitere Streuung des Eigentums diametral entgegen.

Armin Menzi: Meinen Sie damit auch «Machtkonzentration»? Oder anders: Soll denn der Staat hingehen und die Bildung von Eigentum den juristischen – also den «unsterblichen» – Personen verbieten?

Adrian Gasser: In dieser Pauschalität ist die in der Frage postulierte Forderung natürlich nicht erfüllbar. Ein solches «Verbot» wäre zwar eine grosse Chance, das Eigentum breiter zu streuen, die Preise für Eigentum herabzusetzen und einer dereinst vielleicht nötig werdenden Verstaatlichung zu entgehen. 

Armin Menzi: In dieser Pauschalität nicht erfüllbar; wie aber dann? 

Adrian Gasser: Man sollte den grossen Machtgebilden den Erwerb von Grund und Hauseigentum erschweren. Und gleichzeitig sollte man dies den Privaten erleichtern. Man könnte doch beispielsweise darüber reden, dass man Haus und Grundeigentum all jenen verbietet, die solches nicht selber nutzen, die – sagen wir – keine Produktionsunternehmen sind und nur von einem relativ risikolosen Differenzgeschäft leben…

Armin Menzi: …und die Drohung der Verstaatlichung, was hat diese damit zu tun?

Adrian Gasser: Ich möchte einfach auf die Gefahr hinweisen, dass eine stetig zunehmende Machtfülle und -konzentration von Banken und Versicherungen dazu führen könnte, dass das Volk glaubt, alles dem Staat geben zu müssen, um damit das Bodenproblem zu «lösen» und die Anonymität des Eigentums zu rechen. Und das alles unter dem Titel «Existenz und Handlungsfähigkeit des Staates».

Armin Menzi: …aber das ist doch abwegig.

Adrian Gasser: Vielleicht derzeit unvorstellbar, aber keinesfalls abwegig. Sehen Sie: Im 19. Jahrundert wurden massenweise Klöster aufgehoben. Die schönsten Anlagen wurden in Stallungen umfunktioniert. Und ich finde, es wäre besser, die Funktionsweise von Banken und Versicherungen in den Griff zu bekommen, damit dereinst keine so radikalen Massnahmen – unter massivem Druck einer Volkswut – nötig werden. Die Banken handeln heute nicht moralischer als die Klöster in früheren Zeiten. 

Armin Menzi: Aber Haus- und Grundeigentum liegt ja nicht nur in den Händen von Banken und Versicherungen, sondern auch in jenen von Lohnempfängern oder Handwerkern, Unternehmern?

Adrian Gasser: Richtig. Aber immer weniger. Gerade das Hauseigentum stellt für den Handwerker in der Regel die einzige Kreditreserve dar, an die unsere Banken glauben…

Armin Menzi: …womit Sie behaupten, dass die immer grösser werdenden Probleme, überhaupt noch Grund und Boden kaufen zu können, dem jungen Unternehmer die Kreditbasis entziehen? 

Adrian Gasser: Darauf wollte ich hinaus: Der Mittelstand wird durch diese Politik stetig geschwächt.

Armin Menzi: …und wohl auch dadurch, dass die Vermögens- und Eigentumsbesteuerung, dass die Abgaben und Gebührenpolitik gemeinhin dazu gut – oder schlecht – ist, Eigentum ab bröckeln zu lassen oder es mächtigen Gebilden zuzuführen?

Adrian Gasser: Ich frage mich allerdings, weshalb ich in einem derart «bürgerlichen» Staat Vermögenssteuern bezahlen muss, nachdem ich den gesparten Ertrag schon versteuert habe. Wenn ich dazu verknurrt werde, die Vermögenssteuer nur aus dem Nutzen des Vermögens zu entrichten, erhöht dies die Einkomenssteuern im Schnitt um etwa 20 %, wenn wir von rund 1 % Vermögenssteuer ausgehen.

Armin Menzi: Womit Sie in einem Aufwasch auch gleich die Grundstückgewinnsteuern abschaffen möchten?

Adrian Gasser: Die Grundstückgewinnsteuern verhindern eine breite Eigentumsstreuung. Wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer in Frauenfeld sein Häuschen verkaufen will, um nach Romanshorn zu ziehen und dort wieder ein Haus zu kaufen, wird ihm dies durch die Grundstückgewinnsteuer nahezu verunmöglicht. Ich finde, dass der Staat nicht noch seine Taschen mit Inflationsgewinnen füllen soll, wenn ein altgedienter Familienvater einem jungen Familienvater sein Haus verkauft…

Armin Menzi: …was obendrein seine Mobilität beeinträchtigt…

Adrian Gasser: …und andernorts einen schlimmen Zyklus eröffnet. Sehen Sie, der Bund hat es aufgegeben, zu enteignen. Er hat inzwischen gemerkt, dass er über Fiskalmassnahmen beispielsweise einen Bergbauern – aber auch einen privaten Eigentümer, oder wen auch immer er gerade treffen will – erwürgen kann und ihn dabei gleichzeitig dazu zwingt, seinem bisschen Boden den letzten Nutzen abzuringen. Und dies zu Lasten der späteren Generation. Wer etwas Vermögen hat, wird förmlich zum Verkauf gezwungen, wenn er nicht wie ein Huhn in einer Legebatterie zu gunsten der Staatsausgaben schuften will.

Armin Menzi: Also ist heute zugunsten unserer Nachkommen zu handeln? 

Adrian Gasser: Ja. Vorerst aber gilt es zu orten, wo die Kern- und Angelpunkte unserer Eigentumspolitik liegen. Denn alle Nachteile für die Hauseigentümer sind auch Nachteile für die Mieter. Diskussionen sollten zu Entscheiden und Entscheide zu Taten führen! 

Armin Menzi: Adrian Gasser, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 

 

Juni 1987 

Dieser Beitrag stammt aus meinem Büchlein „Klare Meinungen – zu früh ausgesprochen?“, veröffentlicht im Jahr 1999.