Jede Volkswirtschaft exportiert – entweder Produkte oder Menschen 

Artikel, 1988 geschrieben und veröffentlicht in der «Thurgauer Zeitung» und im «Tages-Anzeiger». 

Betriebsschliessungen und Kurzarbeit häufen sich. Die Exportwirtschaft zeigt offenkundig Tendenz zur Schwäche. Diese Entwicklung fordert uns alle auf – insbesondere die politisch Verantwortlichen – sie vermehrt zu beachten und daraus auch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, ist doch die Produktion die wichtigste Grundlage unseres Wohlstandes. Die Produktion hat den Hunger zu stillen, das Wohnen zu ermöglichen und das Kleiden zu gestatten. Leistungen, welche mit der Produktion nichts zu tun haben, nennt man Dienstleistungen, egal ob damit ein realer Wert verbunden ist oder nicht. In der Schweiz werden vor allem die Dienstleistungen gefördert, und einige Politiker meinen sogar, damit die produktive Leistung ersetzen zu können. Die Produktionsbetriebe werden dadurch immer stiefmütterlicher behandelt, ihre Wichtigkeit wird unterschätzt, was in einer enormen steuerlichen Belastung zum Ausdruck kommt (u.a. Wust auf Investitionen und Betriebsmitteln). Viele Betriebe scheinen diesem Druck nicht mehr gewachsen zu sein. Besonders Unternehmungen, welche sich noch an alte Strukturen mit Unterteilungen in Obrigkeit, Hierarchie, Patron, Angestellter, Arbeiter usw. halten und zu allem Übel noch dem klassischen militärischen Führungsstil huldigen, haben unter sauberen marktwirtschaftlichen Bedingungen keine Chancen mehr. Sie schliessen oder versuchen, den Staat als Kunden zu gewinnen. Der Staat ist aufgrund der Verhältnisse unter unklaren Gegenleistungen bereit, nicht nur unnötige Leistungen zu erwerben, sondern diese auch noch teurer zu bezahlen. Diese künstliche Unternehmungs- und Arbeitsplatzerhaltung bezahlt der Staat über den Weg einer nochmals stetig zunehmenden finanziellen Belastung der «noch» gesunden Betriebe und deren Beschäftigten. 

Über Staatsaufträge, Unternehmenssubventionen und neue besondere Gesetze wird in der Schweiz die Beschäftigung künstlich hoch gehalten, was zu einer organisierten Kostensteigerung führt. Die Ausweglosigkeit vieler Betriebe führt dazu, dass immer mehr Menschen und Betriebe, bevor sie wegen der ihnen aufgebürdeten Lasten zusammenbrechen, ebenfalls um Staatsaufträge nachsuchen, was Gefügigkeit und Wohlverhalten wie auch Kritiklosigkeit gegenüber marktwirtschaftswidrigen Verhältnissen und Missständen voraussetzt.

Mit grossem Erfindungsgeist und publikumswirksamen Argumenten werden unter Bezeichnungen wie Wirtschaftsförderung, Verkehrssicherheit, Umweltschutz und Arbeitsplatzerhaltung die Staatskassen angezapft. Um die Beschäftigung künstlich hoch zu halten, womit der Eindruck eines grossen Vorsprungs unserer Wirtschaft gegenüber dem Ausland aufrecht erhalten bleibt, werden dem Volk auch für die Zukunft anhaltender vermeintlicher Wohlstand und gesunde politische Verhältnisse vorgegaukelt. Durch die Verteuerung der Herstellungskosten in der Schweiz, die künstliche Hochhaltung der Beschäftigung wie auch die Indexierung nicht lebensnotwendiger Güter und deren volle Abwälzung auf die Personalkosten, werden zuerst die Arbeitsplätze in der Produktion vernichtet, da unser Land die preisliche Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland verliert. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass der Verlust dieser Arbeitsplätze durch jene in den Dienstleistungsbetrieben ersetzt werden kann. Auch Dienstleistungsbetriebe leben im Endeffekt von der Produktion. Im Ausmass wie die Produktionsbetriebe verschwinden, werden zeitverschoben auch die Dienstleistungsbetriebe in die Richtung abwandern, in welche sich die Produktionsbetriebe verlagert haben. Wer die Produktionsplätze vernichtet, gefährdet auch die Arbeitsplätze in den Dienstleistungsbetrieben.

Unsere Dienstleistungsbetriebe wurden aufgrund der Aktivitäten unserer Exportindustrie und des Tourismus aufgebaut. Ohne Produktion wird sich auch niemand eine Dienstleistung leisten können. Die Schweiz ist daran, gezielt die Werte zu vernichten, die sie einst stark gemacht haben. Es ist dringend notwendig, dass die Politiker viele produktionshemmende Gesetze und Steuern aufheben, auf die gegenseitige Zuspielung unnötiger Aufträge verzichten und endlich von einer künstlichen Hochhaltung der Beschäftigung Abstand nehmen, um damit einen Beitrag zur Wiedereinführung der Marktwirtschaft in der Schweiz zu leisten.

 

 

1988 

Dieser Beitrag stammt aus meinem Büchlein „Klare Meinungen – zu früh ausgesprochen?“, veröffentlicht im Jahr 1999.