Umweltschutz durch Marktwirtschaft 

Grundsatzpapier aus dem Jahre 1987, das im Vorfeld der damaligen Nationalratswahlen erstellt wurde. 

Seit Jahren wird den Bürgern in unserem Land weis gemacht, zwischen der Wirtschaft und der Umwelt bestehe ein Konflikt, der nur auf dem Buckel der Konsumenten ausgetragen werden könne. Verunsicherungen und ein schlechtes Gewissen werden bei den Konsumenten erzeugt, um auf den Bund Druck auszuüben, laufend neue Gesetze zu produzieren. Diese führen alle in der Tendenz zu Freiheitseinschränkungen für die Bevölkerung. Ist dies nötig? Sollen Konsumentin und Konsument von Lebensmitteln und Alltagsgütern tatsächlich glauben, der Umweltschutz sei eine reine Frage der Endverbraucher? Dem ist nicht so. Die Marktwirtschaft funktioniert nach dem Prinzip der Leistungserstellung zu möglichst tiefen Kosten und der Veräusserung möglichst marktnah zu besten Preisen.

Alle politischen Parteien haben es sich zum Thema gemacht, das Energieproblem und den Umweltschutz durch Beschneidung der Freiheit des Bürgers zu lösen. Je nach ideologischem Hintergrund werden fantasielose Appelle zur Selbstbeschränkung formuliert oder staatliche Eingriffe auf allen Ebenen gefordert. Statt grundsätzliche Überlegungen anzustellen, wird bei der Lebensmittelverpackung angesetzt, statt das Übel an der Wurzel anzupacken, werden Tropfen auf den heissen Stein gefordert.

Im folgenden skizziere ich – thesenartig und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Lösungsvorschläge, die das Ziel haben, die Energie- und Umweltprobleme zu lösen. Diese betreffen uns alle – die Beschäftigten und die Konsumenten genauso wie die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Banken, die Kirchen sowie die Energiehersteller. Insbesondere betreffen sie aber die Jugend, welche am meisten Grund hat, sich um unsere Zukunft zu sorgen.

 

These 1: 

Gleiche Produktionsmenge mit einem Drittel der Produktionsfaktoren. 

Alle Maschinen und Produktionsanlagen, Einrichtungen und Produktionsstätten produzieren pro Woche während sieben mal 24 Stunden. Da nach haben sich Arbeitszeit und berufliche Ausbildung zu richten.

Dadurch würde erreicht, dass für die Herstellung der gleichen Produktions menge nur noch rund ein Drittel aller mit Rohstoffen und Energie hergestellten Maschinen, Anlagen und Gebäuden eingesetzt werden müsste. Die marktwirtschaftliche Konkurrenz würde jene Unternehmungen, deren Produktions abläufe nicht durchrationalisiert und deren Kapazitäten nicht voll ausgenutzt sind, sehr schnell eliminieren (was zum Teil heute schon geschieht). Jede Unternehmung, die mit weniger Maschinen und Anlagen gleich viel oder mehr Produkte herstellt, spart Rohstoffe und Energie und betreibt Umweltschutz. Für die Herstellung gleicher Endgütermengen werden nicht nur weniger Rohstoffe und Energien verbraucht, sondern auch geringere Mengen giftiger Substanzen ausgeschieden. 

Bei grösserer Flexibilität der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer ist bereits heute – ohne Einführung zusätzlicher Sparmassnahmen – das Potential vorhanden, um die gleiche Produktionsmenge mit rund einem Drittel der bisherigen Rohstoff- und Energiemenge herzustellen. Die Lebensdauer der Maschinen, Anlagen und Gebäude kann weitgehend unabhängig der Einsatzstunden gestaltet werden. In der Regel entscheidet ohnehin der technische Fortschritt über die Lebensdauer einer Anlage. Verschiedene unserer ausländischen Konkurrenten sind schon dazu übergegangen, ihre Anlagen 8’760 Stunden im Jahr und 8’784 Stunden im Schaltjahr zu nutzen, statt lediglich 800 bis 3’000 Stunden im Jahr wie bei uns. Eine Verlängerung der Maschineneinsatzzeiten wird auch für uns zum unbedingten Erfordernis.

Der Sonntag kann trotzdem geheiligt werden. Organisatorisch lässt sich die Verlängerung der Maschineneinsatzzeiten durchaus lösen. Dabei kommt uns zugute, dass nicht alle Religionen am gleichen Tag ihren «Sonntag» haben. (Das alte Testament überlässt es übrigens den Menschen, welchen Tag der Woche jeder einzelne oder jede Gesellschaftsgruppe heiligen möchte.)

 

These 2: 

Aufhebung der Zoneneinteilung des Bodens. 

Es ist unverhältnismässig, auf der einen Seite der Industrie und dem Gewerbe in Sachen Schadstoffausstoss, Lärmschutz und anderer Immissionen strengste Auflagen zu machen, auf der andern Seite jedoch die Zoneneinteilung des Bodens beizubehalten und weiter zu verfeinern, was nachweisbar die Umwelt belastet und Ressourcen verschwendet.

Als Folge des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes und der kantonalen Bau- und Planungsgesetze ist der Boden in der Schweiz in Nutzungszonen eingeteilt, beispielsweise in Wohn- und Industriezonen. Diese bestimmen, was wo gemacht bzw. nicht gemacht werden darf. Damit ist gesetzlich verordnet, dass heute praktisch die gesamte arbeitende Bevölkerung gezwungen ist, einen mechanisierten Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Um den Arbeitsplatz zu erreichen, müssen oft mehrere Kilometer mit dem Auto, dem Motorrad, einem öffentlichen Verkehrsmittel oder dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dies braucht nicht nur zusätzliche Zeit, sondern – abgesehen vom Velo – auch Energie und Rohstoffe, nicht nur in Form von Treibstoffen, sondern vor allem auch für die Herstellung der Transportmittel. Im Gegensatz zu den Produktionsanlagen wird die Nutzungsdauer von Fahrzeugen in erster Linie von den gefahrenen Kilometern bestimmt. Hinzu kommt der Bau zusätzlicher Infrastrukturanlagen wie Zufahrtsstrassen und die Erschliessung neuer Quartiere. Sodann erschwert die Zonenaufteilung des Bodens die Nutzung der Abwärme der Industrie zu Heiz- und Warmwasseraufbereitungszwecken. Die oft langen Wege bei der Nutzung der Abwärme erfordern wiederum mehr Rohstoffe und Energie für die Leitungserstellung.

 

These 3: 

Industrieabwärme für Heiz- und Warmwasseraufbereitungszwecke. 

Die bei der Herstellung wie bei der Verwendung der Elektrizität frei werdende Abwärme lässt sich – besonders für naheliegende Gebäude aller Art – für Heiz- und Warmwasseraufbereitungs zwecke einsetzen. 

Während jeder Heizperiode wird umweltschädigendes Erdöl verbrannt. Der Ölverbrauch könnte um rund 40 Prozent reduziert werden, wenn Öl zuerst in Strom und dann in Wärme umgewandelt würde.

 

These 4: 

Unterhalt und Pflege verlängern die Lebensdauer von Fahrzeugen. 

Katalysator in Ehren – er ist zu fördern. Doch würden die Fahrzeuge besser unterhalten und gepflegt, so hätten sie eine längere Lebensdauer. Durch die wesentlich umweltfreundlicheren Reparaturarbeiten liesse sich der gesamte Rohstoff- und Energieaufwand zur Herstellung von Fahrzeugen wesentlich reduzieren.

In der Schweiz zirkulieren Millionen von Motorfahrzeugen aller Art. Wie nirgends auf der Welt prüfen amtliche Stellen in bloss dreijährigen Abständen nicht nur die Fahrtüchtigkeit, sondern auch den einwandfreien Allgemeinzustand der Fahrzeuge. Dadurch – wie auch als Folge eines falschen Prestigedenkens – wird erreicht, dass bei uns fast nur neue Fahrzeuge in makelloser Schönheit zirkulieren. Ihre Nutzungsdauer ist entsprechend kurz. Ähnliches gilt auch für andere Gebrauchsgüter wie Staubsauger, Küchenmaschinen, Rasenmäher usw. 

Wer heute noch ein Auto ohne Katalytor fährt, wird als verantwortungsloser Umweltverschmutzer gebrandmarkt. Dabei wird übersehen, dass nicht nur der Gebrauch eines Fahrzeuges Rohstoffe und Energie beansprucht, sondern auch dessen Herstellung und Entsorgung. Wenn ein fünfjähriger Wagen ohne Katalysator verschrottet und durch ein Katalysatorfahrzeug ersetzt wird, so ist der Rohstoff- und Energieverbrauch mit Sicherheit grösser, als wenn der Wagen noch einige Jahre im alten Zustand seinen Dienst versehen würde.

 

These 5:

Je länger die Nutzung, desto besser. 

Generell sind alle Güter und Anlagen, welche der Wirtschaft und Privaten dienen und keinen Einfluss auf die Produktivität haben, möglichst lange zu nutzen. 

Wenn der Staat aufgrund einmal erlassener Gesetze und Verordnungen oder zur Stützung sonst nicht lebensfähiger privater Betriebe entlang der Autobahnen Leitplanken auswechselt, Sicherheitslinien fein säuberlich malen lässt und noch funktionstüchtige Verkehrsampeln ersetzt, nur weil neue Vorschriften dies so bestimmen, bindet dies unnötig Rohstoffe und Energie. Das gleiche gilt auch für die private Wirtschaft, wenn sie – aus Prestigegründen und nicht aufgrund betrieblicher Erfordernisse – ihre Büros neu einrichtet oder Gebrauchsgüter vorzeitig ersetzt.

 

Konsequenzen 

Die Verwirklichung vorstehender Thesen hätte eine Kettenreaktion in Richtung Verminderung des Rohstoff- und Energieverbrauchs zur Folge, ohne dass es zu einer Konsumeinbusse kommen müsste. Dies brächte auch Einsparungen im administrativen Verbrauch und bei den Verpackungsmaterialien sowie den Transportaufwendungen. Innert kürzester Zeit käme es zu einem Überangebot an Energie, so dass umstrittene Energieanlagen überflüssig würden und auf die Erstellung neuer Anlagen verzichtet werden könnte.

 

Voraussetzungen 

Folgende Voraussetzungen sind nötig, um den vorgängig geschilderten Prozess in Gang zu setzen und zu halten:

  • Der Markt muss funktionieren, unsere Wirtschaft muss wieder zu einer richtigen Marktwirtschaft werden. Der Staat hat auf weitere Marktverzerrungen in Form direkter und indirekter Subventionen sowie grosszügiger Staatsaufträge zur Erhaltung von Betrieben mit überkommenen Strukturen zu verzichten.
  • Investierende und rationalisierende private Unternehmungen sollen – möglichst unbehelligt von staatlichen Auguren – ihren Betrieb entsprechend den Markterfordernissen organisieren können. Sowohl Investitionsstrafsteuern bzw. Wertabschöpfungsabgaben als auch die Berner Vetterliwirtschaft gehören abgeschafft.
  • Die Rahmenbedingungen materieller und sozialer Art sind durch die Beschäftigten, die Industrie, die Ärzteschaft, die Kirchen und den Staat neu zu definieren. Wenn die gleiche Produktionsmenge rationeller erzeugt werden kann, nimmt die Freizeit zu. Um diese sinnvoll zu nutzen, muss der Mensch als Individuum und Persönlichkeit gefördert werden. Die zunehmend grösser werdende Freizeit darf nicht zur Manipulation der Bevölkerung missbraucht werden.
  • Bund, Kantone und Gemeinden haben alle Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zu überprüfen, damit sie das vorstehende «Fünfpunkte Umweltschutzprogramm» nicht hemmen. Die bestehenden Gesetze sind zu überarbeiten und so präzis und verständlich abzufassen, damit sie von jedermann verstanden werden und ihre Auslegung nicht vom Ermessen und von der Willkür einzelner Funktionäre abhängt. 
  • Die arbeitsplatzvernichtende, investitionshemmende und umweltfeindliche Warenumsatzsteuer (Wust) so wie die direkte Bundessteuer sind abzuschaffen und durch die Mehrwertsteuer zu ersetzen. Von der Mehrwertsteuer, die alle Bundes ausgaben zu finanzieren hat, sind die schweizerischen landwirtschaftlichen Produkte, die Mieten und die Zinsen zu befreien. Die Mehrwertsteuer, die vom Verbraucher bezahlt wird, reduziert die Verschwendungssucht und fördert den Sparwillen. 
  • Alle Umweltschutzvorschriften sind vor dem Hintergrund des «Fünfpunkte-Umweltschutzprogrammes» auf ihre effektive Wirksamkeit hin abzuklopfen. 

 

Schlussfolgerungen 

Die vorstehend skizzierten Massnahmen sind geeignet, die Schweiz wieder zu einem Produktionsland zu machen. Von Banknoten, Bankbelegen, Versicherungspolicen und Flugtickets allein können wir nicht leben. Wo der produzierende Sektor verkümmert, haben auch die Dienstleistungen keine Zukunft. Die industrielle Produktion ist gewissermassen der Nährboden für den Dienstleistungssektor, nicht jedoch umgekehrt!

Die schweizerische Industrie kann nur überleben, wenn sie gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig ist und bleibt. Um konkurrenzfähig zu sein, braucht es einen funktionierenden Markt – hier haben wir angesichts der geschwürartig wuchernden staatlichen Pfründenwirt schaft und des immer dichteren Gesetzesgeflechtes noch viel zu tun. Die – existenzbedrohenden – Umweltprobleme kommen uns dabei zu Hilfe. Denn im Grunde genommen wissen wir, dass wir sie weder mit Appellen noch mit zusätzlichen Vorschriften lösen können, sondern nur mit mehr Marktwirtschaft. Und diese ist allein geeignet, um unserer Wirtschaft das Überleben zu sichern.

 

Utopie? 

Unsere Zukunft wird uns viel Freizeit bescheren. Ist es denkbar, dass der Mensch dadurch der Natur, dem Boden und damit der Nahrungsmittelbeschaffung wieder näher gebracht werden kann? Durch die Aufwertung der landwirtschaftlichen Arbeit wird es vielleicht möglich, die Agrochemie und die Belastung der Natur noch weiter zu reduzieren, um wieder vielen Menschen eine sinnvolle und naturnahe Beschäftigung zu ermöglichen.

 

 

Juni 1987

Dieser Beitrag stammt aus meinem Büchlein „Klare Meinungen – zu früh ausgesprochen?“, veröffentlicht im Jahr 1999.